«Wir müssen lernen, die Träger unserer Kleider anzusprechen»
Charlotte Huber ist Nachhaltigkeitsverantwortliche bei workfashion.com ag. Der Anbieter für Arbeitsbekleidung setzt hohe Standards punkto Arbeitsbedingungen und Ökologie im Unternehmen, bei den Konfektionierbetrieben und beim Wareneinkauf. Die Geografin und CSR-Managerin wünscht sich, dass die Trägerinnen und Träger vermehrt wissen, dass sie fair hergestellte Berufskleider tragen und dies wertschätzen können.
Interview: Susan Glättli
Mit wem arbeiten Sie zusammen als Nachhaltigkeitsverantwortliche bei workfashion.com ag?
Ich stehe in ständigem Kontakt mit den Konfektionierbetrieben – diese sind grösstenteils in Mazedonien, einzelne auch in der Türkei - und mit der Fair Wear Foundation, welche die Betriebe
auditiert und uns nach dem jeweiligen Audit einen Plan mit Verbesserungsmassnahmen ausstellt. Für das Supply Chain Management arbeite ich eng mit dem CEO Alfred J. Beerli zusammen, in einer
Stabsstelle, bin aber bei der Beschaffungsabteilung angesiedelt. Ich habe also viel mit dem Einkauf zu tun, aber auch mit den Verkäufern, die ich zu Nachhaltigkeitsaspekten schule.
Wie läuft die Beschaffung und die Veredelung ab?
Wir kaufen alles Material, das verarbeitet werden soll, selber ein. Danach senden wir alles auf die bestellte Stückzahl genau abgezählt zusammen mit den Schnittmustern einem unserer Partner
-Konfektionierbetriebe. Dort werden die Kleider genäht und wir erhalten sie zurück. Wir personalisieren die Kleidung (besticken, Aufdruck) teilweise hier in der Schweiz und stellen für den Kunden
komplette Kleiderpakete zusammen. Damit dies reibungslos läuft, stehen wir permanent in Kontakt mit den Konfektionären und besuchen sie mehrmals pro Jahr. Auch bei zugekaufter Handelsware wie zum
Beispiel Accessoires kennen wir die Herkunft genau.
Wie können Sie sicherstellen, dass die Kleider nachhaltig produziert werden?
Nicht nur wir, sondern auch die Auditoren der Fair Wear Foundation besuchen die Produktionsbetriebe regelmässig. Die von uns eingekaufte Rohware (Stoffe, Reissverschlüsse, etc.) muss zwingend
Ökotex100 zertifiziert sein (garantiert schadstofffrei) und bei der Wahl eines passenden Handelswarenlieferanten berücksichtigen wir nach Möglichkeit solche, die entweder Fair Wear Foundation
oder BSCI Mitglied sind. Wenn der Kunde den Preis zu stark drückt, können wir „strengere“ Labels wie z.B. GOTS oder Fairtrade Cotton nicht berücksichtigen. Ich finde es traurig, dass sogar bei
Ausschreibungen der öffentlichen Hand solche Standards nicht stärker gewichtet werden.
Welche Nachhaltigkeitsaspekte werden von den Kunden verlangt oder beachtet?
Bei öffentlichen Beschaffungen sind meist nur der Standard SA8000 oder die BSCI-Mitgliedschaft verlangt. Eher selten verlangt ein Kunde auch ein GOTS-Zertifikat. Ich denke, es braucht
Sensibilisierungsarbeit bei den Beschaffungsstellen. Und wir müssen lernen, auch die Träger unserer Kleider anzusprechen. Viele der medizinischen Praxisassistentinnen, Schreiner, Kassen- und
Gastronomie-Mitarbeiterinnen, die unsere Produkte tagtäglich verwenden, wissen nicht einmal, dass sie so gute, fair produzierte Kleidung tragen – dabei verbringen sie teilweise mehr Zeit in ihren
Berufskleidern als in ihren privaten Kleidern.
Welche Erfahrungen aus der bisherigen Laufbahn sind Ihnen bei der aktuellen Arbeit besonders nützlich?
Im Verkauf von Outdoor-Bekleidung hatte ich direkten Kontakt mit den Endkunden und erfuhr, was ihnen punkto Nachhaltigkeit wichtig ist und wofür sie bereit sind Geld in die Hand zu nehmen. Diese
Erfahrung ist mir jetzt sehr nützlich und ich möchte sie auch im B2B-Geschäft hier bei workfashion.com einsetzen.
Was macht Sie stolz und zufrieden?
Wenn auch beim Mittagessen oder in den Pausen Nachhaltigkeit ein Gesprächsthema ist, dann habe ich wohl etwas richtig gemacht.